Die meisten Wellenreiter werden mir vermutlich zustimmen, wenn ich sage, dass Surfen nicht zu den Sportarten gehört, die leicht zu erlernen sind. Das liegt nicht unbedingt an der zu erlernenden Bewegung (frag mal Skater oder Snowboarder, die glauben, dass es für sie schneller klappen würde), sondern im Wesentlichen an den schwierigen Voraussetzungen.

Der Zeitfaktor

Ich habe vor 17 Jahren mit dem Surfen angefangen. Das ist eine andere Aussage, als wenn ich sagen, würde, dass ich seit 17 Jahren surfe. Wenn mich jemand fragt, ob ich denn gut surfen kann, antworte ich in der Regel: „Ich bin ein deutscher Surfer, der in Berlin lebt“. Das sagt eigentlich schon alles.

Wie so viele deutsche Surfer, die nicht am Meer leben, „landlocked“ sind, bin ich meistens im Urlaub zum Wellenreiten gekommen (immerhin inklusive zweier längerer Surfaris), was die Anzahl der Surfstunden reduziert. Während meines Studiums im Ruhrgebiet konnte ich auch manchmal die Wochenenden nutzen, um bei guten Bedingungen mit dem Auto spontan an die Nordsee nach Holland zu fahren. Seitdem ich aber in Berlin wohne, bin ich für befriedigende Surfsessions auf Kurztrips per Flug angewiesen. So kommt man – wenn man nicht gerade zu den glücklichen Surfnomaden gehört –  als Durchschnittssurfer und Vollzeitangestellter vielleicht auf 5 bis 6 Wochen Surfurlaub im Jahr. Was wiederum nicht heißt, dass man die gleiche Zeit für Surfen aufbringt:

Poseidon und seine Launen

Das Wetter und die Swellbedingungen machen einem gerade in Europa oft einen Strich durch die Rechnung: Flat (welch grausiges Wort), zu groß (ja, das passiert), verblasen (ist keine Ausrede für weniger surfen, macht aber einfach weniger Spaß). Oft habe ich gerade als Anfänger geflucht, wenn Poseidon mir in der kostbaren Zeit am Meer nicht das geschenkt hat, was ich am meisten ersehnte: schöne Wellen. Poseidon, Du zickige Bitch!

Hyper-variable Bedingungen

Eine Welle ist keine Skatepipe, die sich immer gleich verhält. Jede Welle bricht immer etwas anders. Von Tag zu Tag kann sich der Spot durch Wind- oder Swellrichtung ändern. Unterschiedliche Untergründe (Sandbänke, Korallenriffe, Felsen) formen Wellen jeweils anders. Ebbe und Flut lassen die Wellen vor allem an Beachbreaks im Minutentakt an unterschiedlichen Stellen brechen. Das Lesen und Einschätzen der Welle, das sich Orientieren und Positionieren ist wohl das komplizierteste am Surfen. Dafür braucht es Jahre an Erfahrung. Das macht das Surfenlernen so schwer, da im offenen Ozean keine Standardbedingungen herrschen.

Die Crowds

Wenn die Bedingungen dann stimmen, kommen natürlich auch die Massen, die alle die gleichen Wellen surfen wollen. Diejenigen, die auf die Vorfahrtsregeln pfeifen. Die Anfänger, die im Weg liegen. Überhaupt die vielen anderen Surfer, die die Anzahl der eigenen Wellen reduzieren. Mit denen man nicht zusammenstoßen möchte, weil das Lenken noch nicht so beherrscht wird.

(>>> Wie Du mehr Wellen trotz Crowds bekommst, kannst Du übrigens in diesem Artikel nachlesen.)

Die Fitness

„Hätte ich mal mehr Liegestütze gemacht“. Gerade beim Wellenreiten spürt man schnell, dass man vor dem Urlaub etwas  intensiver hätte trainieren sollen. Oft braucht es ein paar Tage bis zu einer Woche bis das viele Paddeln einem nix mehr ausmacht. Dann geht es häufig schon wieder zurück nach Hause.

Die eigene Gesundheit

Wann ist man „am liebsten“ erkältet? Genau, im Urlaub. Wenn man sich aus dem Büro in die freie Zeit verabschiedet, verabschiedet sich auch gerne mal das Immunsystem. Folge: statt im Line Up sitzt man mit Mütze und Schal am Strand (mir passiert in Jeffreys Bay, wo ich mit hohem Fieber bei super Wellenbedingungen keine einzige Welle surfen konnte).

Warum also das Ganze?

Warum tut man sich das überhaupt an? Für Nicht-Surfer ist das manchmal schwer nachzuvollziehen, warum man sich angesichts der oben beschriebenen Voraussetzungen ausgerechnet ausgesucht hat, das Wellenreiten zu erlernen. Wo doch die Lernerfolge so rar gesäht sind. Für jeden Surfer mag es etwas anderes sein, was ihn oder sie am Surfen fasziniert und motiviert weiterzumachen.

Für mich ist das Surfen wie eine gefundene Schatzkiste, die ich immer wieder öffne und jedes Mal, finde ich wieder etwas Neues darin. Zum Beispiel das Erlernen eines neuen Manövers nach vielen Jahren. Der erhellende Moment, manchmal gar diebische Freude, wenn ich die Welle richtig gelesen habe. Das Eintauchen in die Tätigkeit des Surfens, die absolute Entspannung in der Anspannung und der Verlust des Zeitgefühls: das so oft im Zusammenhang mit dem Surfen oder auch dem Klettern beschriebene Flowgefühl. Dazu die Sensation des Ritts auf einer Meereswelle: lautloses Gleiten auf einem beweglichen Untergrund. Der Rausch von Wellenenergie und Geschwindigkeit. Das Auf und Ab der Wellenwogen. Die Schönheit der Natur. Das durchströmende Gefühl von Glück nach der Session, als würde der ganze Körper grinsen.

Das ist es, warum Surfen und das Surfen lernen sich lohnen.

Warum surfst Du?

Was ist Deine Motivation, Dich immer wieder in die Wellen zu schmeißen?

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2 Responses

  1. Nadine

    Hallo Veit,
    Danke für diesen Artikel. Aktuell stehe ich vor einer ähnlichen Frage… mein Freubd und ich planen gerade den Sommerurlaub und möchten diesen gerne mit Surfstunden füllen. Aktuell standen wir nie auf dem Board, kommen auch aus Niedersachen, was nicht direkt am Meer liegt und mich beschäftigt eben die Frage, ob so ein Kurs im Urlaub überhaupt lohnenswert ist…
    Einerseits möchten wir den Sport gerne einmal kennen lernen und ausprobieren und viell ergibt sich in dem ein oder anderen Urlaub ja nochmal die Chance, es wieder zu tun?!
    Andererseits befürchte ich, dass so eine kurze Zeit wohl nie ausreichen wird, um überhaupt von eigenem surfen sprechen zu können…

    Würde mich dazu mal über deine Meinung freuen 🙂

    Lg Nadine

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      Veit Jürgens

      Hallo liebe Nadine, entschuldige die späte Rückmeldung! Ich bin seit ein paar Wochen mit der Familie mit dem Campervan in Portugal unterwegs und bewusst kaum online ;-)! Zu Deiner Frage: wenn Ihr surfen lernen wollt, macht in jedem Fall einen Kurs im Urlaub, ich empfehle für eine Dauer mindestens einer Woche! So bekommt Ihr neben der Praxis auch etwas Surftheorie vermittelt. 1-Wöchige Kurse, die von Surfcamps angeboten werden, sind strukturierter und die (hoffentlich lizensierten) Surflehrer können je nach Wellenbedingungen die Vermittlungsinhalte anpassen. Sommer in Europa ist zudem ein guter Zeitpunkt zum anfangen, da die Wellen in dieser Zeit nicht so heftig sind (Empfehlung: Portugal, gute Sommerwellen z.B. an der Costa Nova) Und: ob ein Kurs lohnenswert ist, weißt Du erst, wenn Du einen gemacht hast ;-). Für mich ist es nicht nur aus sportlicher Sicht ein Geschenk, sondern auch im Hinblick auf die Nähe zur Natur und auf spirituelle Energie. Surfen nährt mich. In diesem Sinne wünsche ich Euch tolle ganzheitliche Erfahrungen! Schreibt mir gern, wenn Ihr noch Fragen habt!

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